Derzeit wird damit gerechnet, dass es ab dem Frühjahr 2015 möglich sein wird, bei der bisherigen Europäischen Patentanmeldung nach der Patenterteilung für 25 Staaten der EU (EU-Staaten ohne Spanien und Italien) eine sog. einheitliche Wirkung zu beantragen. Auf diese Weise entsteht ein zusammenhängender regionaler Teil eines EP-Patents, der informell als "Einheitspatent" bezeichnet wird und in jedem der 25 Länder dieselbe Wirkung besitzt. Dies verringert den Verwaltungs- und Kostenaufwand bei einem EP-Patent nach der Erteilung.
Derzeit gibt es nur das vom Europäischen Patentamt (EPA) auf der Grundlage des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) erteilte Europäische Patent, das aus nationalen Teilen besteht, die vom Anmelder gewählt worden sind. Für jedes gewählte Land sind Jahresgebühren zu zahlen und in vielen Staaten, darunter Italien und Spanien, muss der gesamte Text der Patentschrift in die entsprechende Landessprache übersetzt werden. Ferner kann nur gegen jeden nationalen Teil separat eine Nichtigkeitsklage eingereicht werden.
Voraussichtlich kann ab Frühjahr 2015 bei dem derzeitigen Europäischen Patent nach der Erteilung eine einheitliche Wirkung des Patents in sämtlichen EU-Staaten außer Italien und Spanien
beim EPA beantragt werden. Dieser Antrag führt dazu, dass das Europäische Patent für diese Länder als ein einziges Patent gilt, das dieselbe rechtliche Wirkung in diesen Staaten hat. Sofern die einheitliche Wirkung beantragt wird, können keine einzelnen Länder der EU mehr gewählt werden, die von der einheitlichen Wirkung bereits erfasst sind. Neben den an der Regelung partizipierenden EU-Staaten können jedoch die übrigen dem EPÜ angehörenden Staaten zusätzlich gewählt werden, insbesondere auch Spanien und Italien sowie beispielsweise die Nicht-EU Saaten Schweiz, Norwegen und Türkei.
Das neue Einheitspatent (Unitary Patent) hat folgende Vorteile:
- Erteilung, Übertragung und Erlöschen des Einheitspatents ist nur für alle
derzeit 25 teilnehmenden EU-Staaten möglich.
- Geringere Kosten, da die beim Europäischen Patent bisher erforderliche Validierung in den einzelnen Staaten entfällt.
- Übersetzungen in den jeweiligen Landessprachen sind nicht mehr erforderlich (siehe aber unten genannte Übergangszeit).
- Es ist nur noch eine Jahresgebühr für die 25 teilnehmenden EU-Staaten zu zahlen.
- Es wird ein zentrales Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren geben, so dass eine einheitliche Rechtsprechung erwartet werden kann.
Bei Patenten, die nach dem Inkrafttreten der Verordnungen über das
Einheitspatent erteilt werden, kann beim EPA innerhalb eines Monats ein „Antrag auf Registrierung der einheitlichen Wirkung“ gestellt werden, wodurch ein Europäisches Patent oder zumindest ein Teil desselben zu einem Europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung wird.
Somit wird es in Zukunft drei verschiedene "Arten" Europäischer Patente geben:
- das bisherige Europäische Patent mit Schutz in den einzelnen gewählten Staaten, die dem EPÜ angehören,
- das Europäische Patent mit einer registrierten einheitlichen Wirkung und damit Schutz (nur) in den EU-Staaten ohne Italien und Spanien und
- eine Mischform aus den vorgenannten Arten, bei der das Europäische Patent sowohl Schutz in einzeln ausgewählten EPÜ-Staaten als auch eine Registrierung der einheitlichen Wirkung für die EU ohne Spanien und Italien besitzt.
Als Nachteil kann angesehen werden, dass für eine Übergangszeit von sechs Jahren (verlängerbar um bis zu weitere sechs Jahre) das
Einheitspatent stets in englischer Sprache vorliegen muss, so dass ein in deutscher Sprache
erteiltes Patent noch ins Englische zu übersetzen ist. Nach Ablauf der Übergangszeit müssen
bei einem in deutscher Sprache erteilten Patent nur noch die Patentansprüche ins Englische und Französische übersetzt werden, wie dies bereits jetzt der Fall ist.
Zur Übersetzung der Beschreibung ins Englische und in alle anderen offiziellen
Sprachen der EPÜ-Vertragsstaaten werden dann vom EPA kostenlos
Maschinenübersetzungen zur Verfügung gestellt.
In dem Fall, dass ein Patentanmelder Schutz in nur wenigen europäischen Ländern aber in jedem Fall auch in Italien und Spanien wünscht, wird der Antrag auf Registrierung der einheitlichen Wirkung keinen monetären Spareffekt haben. Über die Kosten ist allerdings bisher noch nichts bekannt.
Das für Patentverletzungs- und Nichtigkeitsklagen zuständige neue Europäische Patentgericht wird zwei Instanzen haben:
eine erste Instanz mit
- eine Zentralkammer in Paris (zuständig für E-Technik und alle techn. Bereiche, die nicht in München und London behandelt werden) mit Aussenstellen in München (Maschinenbau) und London (Chemie und Pharmazie),
- Lokalkammern, und
- Regionalkammern (quasi Lokalkammer für eine Region) gemeinsam von zwei oder mehr Staaten, in denen bisher wenige Patentverfahren stattfanden, sowie
eine Berufungsinstanz in Luxemburg.
Zum Schluss vereinfacht ausgedrückt:
Das informell genannte „Einheitspatent“ (früher
"Gemeinschaftspatent", "EU-Patent") ist ein beim europäischen Patentanmeldeverfahren nach Abschluss des Prüfungsverfahrens gestellter Antrag auf Registrierung der einheitlichen Wirkung bezüglich aller EU-Staaten außer Italien und Spanien. Somit wird man wie bisher europäische Patentanmeldungen beim EPA einreichen, ohne zu Beginn sich Gedanken darüber machen zu müssen, wo und wie Schutz in Europa nachgesucht werden soll oder kann. Erst nach der Patenterteilung, muss entschieden werden, welche Länder tatsächlich gewünscht sind und ob ein Antrag auf Registrierung der einheitlichen Wirkung gestellt werden soll.
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