von Patentanwalt Dipl.-Ing. T. R. Wißgott

 Wie groß ist der Schutzbereich beschreibender Marken? 

Ausführungen zu dem BGH-Urteil "HEITEC" 

Fallbeispiel

Vor der Benutzung einer Marke ist stets zu empfehlen, nach Kennzeichenrechten Dritter, insbesondere nach eingetragenen Marken und benutzten Unternehmensnamen zu recherchieren. Hierdurch kann das Risiko minimiert werden, nach der Benutzungsaufnahme der Marke Verbietungsrechten und/ oder gar Schadensersatzansprüchen ausgesetzt zu sein, die aus älteren Marken resultieren. Es kann damit frühzeitig erkannt werden, ob die Benutzung einer Marke risikolos ist oder aufgrund zu befürchtender Verwechselungsgefahr mit einer anderen Marke Probleme mit dem Inhaber dieser Marke entstehen könnten. Im Vorfeld kann daher eine Marke gewählt werden, die sich von den Marken der Wettbewerber ausreichend unterscheidet oder gegen deren Benutzung nicht vorgegangen werden kann.

Nicht selten kommt es bei der Findung sprechender und werbewirksamer Zeichen vor, dass die Entscheidung auf solche Zeichen fällt, die in Bezug auf Merkmale der mit dem Zeichen beworbenen Waren oder Dienstleistungen beschreibend ist. So ist beispielsweise das Wortzeichen PERFEKT für sämtliche Waren und Dienstleistungen eine beschreibende Angabe der Qualität, Funktionalität oder auch der Form oder Bedienbarkeit im Sinne von "in jeglicher Hinsicht vollkommen" oder "unverbesserlich". Ein weiteres Beispiel ist das Wortzeichen FORTES für Versicherungen, Medikamente oder Unterhaltungselektronik, das mit seinem an das Wort „forte“ angelehnten Bedeutungsgehalt anzeigt, dass es sich um einen besonders starken, umfangreichen Versicherungsschutz, ein Medikament starker Wirksamkeit oder um besonders leistungsstarke Lautsprecher oder Musikverstärker handelt. 

Zwar sind Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können, von der Eintragung im Markenregister ausgeschlossen, sofern sich die Marke nicht infolge ihrer Benutzung für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, in den beteiligten Verkehrskreisen durchgesetzt hat (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 u. Abs. 3 MarkenG). 

Mit diesem so genannten Freihaltebedürfnis wird das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt, dass derartige Zeichen oder Angaben von allen frei verwendet werden können. Es erlaubt daher nicht, dass solche Zeichen oder Angaben auf Grund ihrer Eintragung als Marke nur einem Unternehmen vorbehalten werden. Dieses Allgemeininteresse bedeutet, dass alle Zeichen oder Angaben, die zur Bezeichnung von Merkmalen der Waren oder Dienstleistungen dienen können, für die eine Eintragung beantragt wird, allen Unternehmen zur freien Verfügung belassen werden, damit sie sie zur Beschreibung derselben Eigenschaften ihrer eigenen Produkte verwenden können. Die ausschließlich aus solchen Zeichen oder Angaben bestehenden Marken können daher vorbehaltlich einzelner Ausnahmen nicht Gegenstand einer Eintragung sein (s. Urteil d. EuGH vom 12.2.2004, Rechtssache C-363/99 - Postkantoor, Nr. 54, 55).

Dennoch ist bei Markenrecherchen immer wieder festzustellen, dass vermeintlich beschreibende Marken im Register eingetragen worden sind und zumindest formal zunächst ein registerrechtliches Verbietungsrecht darstellen. Die Gründe hierfür sind nicht immer evident, wenngleich sie auch vorliegend können, beispielsweise grafische Gestaltungsmerkmale, Originalitätsstärke, Eigenprägung oder Verkehrsdurchsetzung. So ist beispielsweise das Zeichen PERFEKT als Wort-/ Bildmarke mit geringem grafischen Gehalt als

u.a. für Software, Datenbanken und EDV-Dienstleistungen eingetragen (DE AZ Nr. 30202308.9). Auch in der englischen Fassung ist PERFECT als Wort-/ Bildmarke mit einem marginalen, den Begriffsinhalt jedoch betonenden grafischen Gestaltungselement

für ein breites Spektrum an Haus- und Küchengeräten eingetragen (DE AZ Nr. 302008019831.1). Auch gibt es eine Marke PERFEKTA (DE AZ Nr. 30409978) für Immobilienverwaltung. 

Weiterhin finden sich auch zu FORTES ähnliche Marken. Beispielsweise existiert eine Gemeinschaftsmarke FORTIS (EU AZ Nr. 004296844), die u.a. für das Versicherungswesen eingetragen ist. 

Was ist aber für solche Fälle zu empfehlen, in denen beabsichtigt ist, eine nach dem Gesetz für die Allgemeinheit freihaltebedürftige Marke wie PERFEKT oder eine, sich an eine beschreibende Angabe anlehnende Marke wie FORTES, zu benutzen, die jedoch unter Berücksichtigung einer klanglichen Identität oder Ähnlichkeit mit einer älteren eingetragenen Marke für einen Dritten monopolisiert zu sein scheint. Kann diese Marke dann trotzdem risikolos benutzt werden? Für die Beantwortung dieser Frage ist zu untersuchen wie groß der Schutzbereich der älteren Marke ist und ob die gegenüberstehenden Marken verwechselt werden können.

 

Der Schutzbereich der älteren Marke:

Bisher wurde die Ansicht vertreten, dass eine beschreibende Angabe, die als Marke eingetragen ist, einen eingeschränkten Schutzbereich besitzt. Ein solch eingeschränkter Schutzbereich würde absolut, d.h. gegenüber jedermann eingeschränkt sein. In dem Rechtstreit „Adidas AG ./. Marca Mode CV, C&A, H&M u.a.“ hatte der Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob das Freihaltebedürfnis ein Beurteilungskriterium zu dem Zweck darstellt, den Umfang des absoluten Rechts des Markeninhabers zu begrenzen. Dies hat der EuGH klar verneint. In dem Urteil des EuGH in dieser Rechtssache (C-102/07) v. 10.4.2008 heißt es, dass das Allgemeininteresse an der Verfügbarkeit bestimmter Zeichen für jedermann das ausschließliche Recht eines Markeninhabers als solches nicht einschränkt. 

Demnach könnte ein etwaiges Freihaltebedürfnis in keinem Fall zu einer selbständigen Beschränkung der Wirkungen einer Markeneintragung führen. Vielmehr sei für die Frage der Verletzung einer Marke (ausschließlich) die Verwechslungsgefahr zwischen der Marke und dem anderen Zeichen zu untersuchen (und nicht der Schutzbereich der älteren Marke), sofern es sich bei der älteren Marke nicht um eine bekannte Marke handelt. Diese habe nämlich einen vergrößerten Schutzbereich und setzte keine Verwechslungsgefahr voraus. Es reiche vielmehr aus, dass die bekannte Marke mit dem Zeichen von den beteiligten Verkehrskreisen gedanklich in Verbindung gebracht werde.

Einer Feststellung eines eingeschränkten Schutzbereichs gegenüber jedermann für die Frage einer Verletzung hat der EuGH folglich eine Absage erteilt. Vielmehr ist in jedem konkreten Einzelfall anhand der Beurteilung der Verwechslungsgefahr von sich gegenüberstehender Marke und benutztem Zeichen zu beurteilen, ob der Schutz der Marke so weit reicht, dass das Zeichen in der konkret benutzten Form in den Schutz eingreift.

 

Beurteilungskriterien für die Verwechselungsgefahr

Die Verwechslungsgefahr ist nach ständiger Rechtsprechung des (EuGH) und des Bundesgerichtshofes (BGH) anhand der nachfolgenden drei Faktoren zu beurteilen:

  • der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, 

  • der Kennzeichnungskraft der älteren Marke und

  • der Ähnlichkeit der Marken.

Die Faktoren stehen zueinander in Wechselwirkung, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft ausgeglichen werden kann und umgekehrt. 

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen der sich gegenüberstehenden Marken ist entscheidend, ob die Waren und Dienstleistungen so enge Berührungspunkte aufweisen, dass der Verkehr für den Fall identischer Marken erwarten kann, die Waren oder Dienstleistungen würden unter der Kontrolle desselben oder eines wirtschaftlich verbundenen Unternehmens hergestellt bzw. erbracht werden. Abzustellen ist auf die Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise, d.h. dort, wo die Waren sich begegnen. Dabei sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren und Dienstleistungen der Marken zueinander kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere

  • die regelmäßige betriebliche Herkunft, Herstellungsbetriebe,
  • die stoffliche Beschaffenheit, Inhaltsstoffe,
  • die Eigenart als miteinander konkurrierende oder sich einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen,
  • die wirtschaftliche Bedeutung,
  • die Abnehmerkreise
  • die regelmäßigen Vertriebswege und die Erbringungsart.

Das Ergebnis kann sein, dass die gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen hochgradig ähnlich oder durchschnittlich ähnlich, allenfalls eine geringe Ähnlichkeit, aufweisen oder unähnlich sind. 

Die Kennzeichnungskraft stellt eine quantifizierte Unterscheidungskraft dar. Sie drückt aus, wie stark eine Marke fähig ist, auf ein bestimmtes Unternehmen hinzuweisen. Dabei wird zwischen einer gesteigerten, durchschnittlichen und geschwächten Kennzeichnungskraft unterschieden. Eine erhöhte Kennzeichnungskraft kann beispielsweise durch intensive Benutzung der Marke erreicht werden. Eine geschwächte Kennzeichnungskraft liegt dagegen regelmäßig bei beschreibenden Marken vor. Das Freihaltebedürfnis kann daher für die Beurteilung der Kennzeichnungskraft eine Rolle spielen. Sind keine Anhaltspunkte für eine gesteigerte oder geschwächte Kennzeichnungskraft ersichtlich, ist von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft auszugehen. 

Die Ähnlichkeit der Marken ist in dreierlei Hinsicht zu beurteilen. Eine Verwechslungsgefahr zweier Marken kann im (Schrift)-Bild, im Klang oder im Bedeutungs- (Sinn-)Gehalt vorliegen. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht aus.

 

Schutzschranke "Sittenkonformität"

§ 23 Nr. 2 MarkenG sieht den Ausschluss von Ansprüchen aus einer Marke vor. Nach dieser Vorschrift ist es dem Inhaber eines Zeichens verwehrt, einem Dritten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr ein mit dem Zeichen identisches oder diesem ähnliches Zeichen als Angabe über die Merkmale oder Eigenschaften von Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, sofern die Benutzung nicht gegen die guten Sitten verstößt.

Demnach kann ein Markeninhaber Dritten eine den anständigen Gepflogenheiten entsprechende Benutzung einer beschreibenden Angabe aufgrund seiner geschützten Marke nicht untersagen. Die Rechtsprechung sieht § 23 Nr. 2 MarkenG als anwendbar, wenn der älteren Marke ein Zeichen gegenübersteht, das eine beschreibende Angabe ist (vgl. BGH, Urt. V. 24.6.2004 – I ZR 308/01, GRUR 2004, 949,950 = WRP 2004, 1285 – Regiopost/Regional Post, m.w.N.).

Auch der EuGH bejaht eine Beschränkung der Wirkungen einer Marke, wenn sich die von einem Dritten benutzte beschreibende Angabe auf ein Merkmal der Ware bezieht (EuGH, Rechtssache C-102/07, Adidas AG u. a. ./. Marca Mode CV u. a.).

Damit kann die Benutzung eines Zeichens, das ausschließlich aus für die Waren und Dienstleistungen beschreibenden Bestandteilen besteht, nicht untersagt werden.

 

Praxisfall der aktuellen Rechtsprechung: HEITEC AG ./. HAITEC AG

In der Entscheidung "HEITEC" vom 14.2.2008 hatte der BGH die Verwechslungsgefahr der beiden Firmenschlagworte HEITEC und HAITEC zu beurteilen (Aktenzeichen I ZR 162/05). Die erste und zweite Instanz hatten eine Verwechslungsgefahr der beiden Zeichen unter Berücksichtigung bestehender Branchennähe und teilweiser Branchenidentität sowie einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Geschäftsbezeichnung "HEITEC" im Hinblick auf deren langjährige intensive Benutzung trotz offensichtlicher klanglicher Identität der Zeichen, jeweils verneint. In der Entscheidung heißt es, "auf deren Ähnlichkeit oder Identität in klanglicher Hinsicht könne nicht abgestellt werden, weil das mit dem Begriff "High Tech" übereinstimmende Klangbild für im Hochtechnologiebereich tätige Unternehmen beschreibend wirke und insoweit auch ein Freihaltebedürfnis bestehe.“ Weiterhin halte die Anlehnung an den geläufigen Begriff "High Tech" den Verkehr dazu an, auf geringe Unterschiede in der Schreibweise zu achten, so dass auch keine schriftbildliche Ähnlichkeit festgestellt werden könne. Weiterhin verbinde sich mit der Silbe "HAI-" des angegriffenen Kennzeichens die Vorstellung eines allgemein bekannten Raubfischs, so dass auch eine begriffliche Ähnlichkeit verneint werden könne.

Der BGH hat demgegenüber eine Verwechselungsgefahr bejaht. Zunächst hat er im Gegensatz zu der oben genannten EuGH-Entscheidung bestätigt, dass "der Schutzumfang eines Zeichens, das sich - wie hier das Klagezeichen "HEITEC" an "High Tech" - an eine beschreibende oder sonst freizuhaltende Angabe anlehnt, nach Maßgabe der Eigenprägung und Unterscheidungskraft, die dem Zeichen trotz dieser Anlehnung seine Schutzfähigkeit verleihen, eng zu bemessen ist". Er hat diesen engen Schutzbereich jedoch ausschließlich als auf die freihaltebedürftige Angabe bezogen und damit in Einklang mit der oben zitierten EuGH Rechtsprechung nicht absolut wirkend angesehen, da die Begrenzung des Schutzumfangs dazu diene, eine Erstreckung des aus dem geschützten Zeichen fließenden Ausschließlichkeitsrechts auf die beschreibende oder sonst freizuhaltende Angabe zu vermeiden. Der Schutzumfang eines Zeichens unterliege "keiner besonderen Beschränkung, wenn es um das Verhältnis zu anderen Bezeichnungen geht, die sich in gleicher oder ähnlicher Weise an den beschreibenden oder freizuhaltenden Begriff anlehnen und ihn verfremden." „HAITEC“ lehne sich genauso an „High Tech“ an wie „HEITEC“ und sei für die angemeldeten Waren nicht beschreibend. 

Als Konsequenz hieraus hat der BGH festgestellt, dass die sich gegenüberstehenden Zeichen in klanglicher Hinsicht identisch seien, so dass eine Verwechslungsgefahr nicht verneint werden könne. Ergänzend hatte der BGH einen Ausschluss von Ansprüchen gemäß § 23 Nr. 2 MarkenG verneint, weil die Freistellung vom Zeichenschutz gemäß dieser Vorschrift eine - zumindest auch - beschreibende Angabe voraussetze und "HAITEC" keine beschreibende Angabe sei.

Die Inhaberin der Marke HEITEC konnte daher die Benutzung der Marke HAITEC verbieten. 

In der Folge ergibt sich nach dieser konkreten Rechtsprechung, dass der Schutzbereich eines beschreibenden oder sich an eine beschreibende Angabe anlehnenden Zeichens wie „HEITEC“ durchaus groß anzusetzen ist und auch andere an die beschreibende Angabe anlehnende Zeichen erfasst. Er geht jedoch nicht so weit, dass die freihaltebedürftige Angabe „High Tech“ selbst in den Schutzbereich fällt. Der Schutzbereich des Zeichens "HEITEC" wird mit der nachfolgenden Darstellung unter ausschließlicher Berücksichtigung klanglich mit "HEITEC" offensichtlich identischen Abwandlungen veranschaulicht:

Ergebnis 

Festzustellen ist daher, dass die Benutzung einer unmittelbar beschreibenden und damit freihaltebedürftigen Marke durch eine eingetragene ältere, beschreibende Marke nicht untersagt werden kann, wohingegen die Benutzung einer Marke, die sich wie die ältere Marke an eine beschreibende Angabe anlehnt, durchaus untersagt werden könnte. 

Zur Vermeidung markenrechtlicher Auseinandersetzungen ist daher hinsichtlich der oben beschriebenen Beispielfälle von der Benutzung einer gegenüber der beschreibenden Angabe abgewandelten Marke wie „FORTES“ abzuraten und die Benutzung der nicht abgewandelten Form, also "FORTE" und "PERFEKT" als Wortmarken ohne graphische Zusätze zu empfehlen.

 

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