von Patentanwalt Prof. Dr. H. B. Cohausz

  Die Reform des Europäischen Patentübereinkommens - EPÜ 2000 

 

Das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ), das die gesetzliche Grundlage für Europäische Patente bildet, wurde einer Revision unterzogen, die erhebliche Änderungen bringt. Diese Reform wird spätestens am 13. Dezember 2007 in Kraft treten.

Im Folgenden werden achtzehn wichtige Änderungen beschrieben:

  1. Bezugnahme auf eine frühere Anmeldung (Regel 40)

    Bisher war es bei einer europäischen Patentanmeldung erforderlich, neben dem Anmeldungsantrag eine Beschreibung und mindestens einen Anspruch in einer zulässigen Sprache einzureichen. 

    Nach neuem Recht reicht es aus, sich in der Anmeldung auf eine innerhalb der letzten zwölf Monate früher eingereichte Anmeldung irgendeines Landes zu beziehen und deren Aktenzeichen zu nennen, ohne diese frühere Anmeldung einzureichen. Hierbei ist gleichgültig, in welcher Sprache die frühere Anmeldung abgefasst worden ist, solange es sich um die Amtssprache des jeweiligen Landes handelt. Auch kann statt auf eine Patentanmeldung auf eine Gebrauchsmusteranmeldung Bezug genommen werden. 

    Enthält die Anmeldung eine Bezugnahme auf eine frühere Anmeldung, so ist innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Einreichung eine beglaubigte Abschrift der früher eingereichten Anmeldung einzureichen. Ist diese frühere Anmeldung nicht in einer der drei Amtssprachen des Europäischen Patentamts (Deutsch, Englisch, Französisch) abgefasst, so ist innerhalb dieser zwei Monate eine Übersetzung in eine dieser drei Sprachen einzureichen.

    Eine Bezugnahme auf eine früher eingereichte Anmeldung erfordert, dass mitgeteilt wird: Der Anmeldetag, die Nummer sowie das Amt, bei dem diese frühere Anmeldung eingereicht worden ist.

    Um einen Anmeldetag zu erhalten, genügt es somit auf eine frühere Anmeldung Bezug zu nehmen und Angaben über den Anmelder zu machen, die dem EPA ausreichen, um Kontakt mit dem Anmelder aufzunehmen (eine E-Mail-Adresse reicht beispielsweise aus).

    Wird kein Anmeldungstext eingereicht und nur auf eine frühere Anmeldung Bezug genommen, so ist man auf den Inhalt dieser früheren Anmeldung beschränkt und kann keine zusätzlichen Textteile oder Ansprüche mit der Anmeldung einreichen. Dagegen ist es zulässig, Textseiten oder Zeichnungen nachzureichen, ohne dass es zu einer Änderung des Anmeldetages kommt, wenn diese fehlenden Seiten oder Zeichnungen in den Prioritätsunterlagen enthalten sind.

    Mit einem Anmeldungsantrag keine Anmeldungsunterlagen einzureichen und statt dessen sich auf eine frühere Anmeldung zu beziehen, hat somit den Nachteil, dass die Anmeldung um neue technische Merkmale nicht erweitert werden kann.

  2. Prüfungsantrag nicht mehr schriftlich (Art. 94 (1))

    Ein schriftlicher Prüfungsantrag wird nicht mehr gefordert, da das Einzahlen der Prüfungsgebühr als Stellung des Antrages gilt.

  3. Älteres Recht (Art. 54 (3))

    Gegen eine europäische Patentanmeldung bzw. ein europäisches Patent kann als Stand der Technik eine frühere Anmeldung entgegengehalten werden, die vorangemeldet und nachveröffentlicht ist (älteres Recht). Nach bisherigem Recht konnte eine solche vorangemeldete und nachveröffentlichte Anmeldung aber nur dann entgegengehalten werden, wenn sie aus einem Staat stammt, zu dem in der angegriffenen Anmeldung eine Benennungsgebühr wirksam entrichtet worden ist.

    Diese Bestimmung ist dahin abgeändert worden, dass nunmehr vorangemeldete und nachveröffentlichte Anmeldungen aus allen EPÜ-Staaten entgegengehalten werden können, unabhängig davon, ob eine wirksame Benennung des jeweiligen Staates besteht.

  4. Weiterbehandlung (Art. 121)

    Bisher konnte die Weiterbehandlung einer europäischen Patentanmeldung nur dann beantragt werden, wenn eine Anmeldung als zurückgezogen gilt oder eine vom Amt gesetzte Frist versäumt wurde. Hierbei musste bisher ein schriftlicher Antrag auf Weiterbehandlung gestellt und die betreffende Gebühr eingezahlt werden. 

    Nach neuem Recht kann eine Weiterbehandlung bei allen Rechtsverlusten beantragt werden, bis auf diejenigen, die hiervon ausdrücklich ausgeschlossen worden sind. Die nach Art. 121 (Regel 135 (2)) von einer Weiterbehandlung ausgeschlossenen Fristen sind die Folgenden:

    Prioritätsfrist, Beschwerdefrist Art. 121(4), Art. 112a (4)
    Einreichung von Übersetzungen Regel 6(1)
    Anmeldungen nach Art. 61 Regel 16 (1a)
    Hinterlegung von biotechnischem Material Regel 31(2)
    Einreichung der Abschrift einer früheren Anmeldung, auf die Bezug genommen wird Regel 40(3)
    Jahresgebührennachfrist (nur Wiedereinsetzung) Regel 51(2) – (5)
    Prioritätserklärung Regel 52 (2) (3)
    fehlende Teile der Beschreibung/Zeichnungen Regel 55/56
    Beseitigung von Mängeln der Anmeldungsunterlagen
    - Übersetzung nach Art. 14(2)
    - Antrag auf Erteilung
    - Einreichung der Patentansprüche
    - Art. 133(2)
    - Form der Unterlagen
    Regel 58
    Mängel bei der Inanspruchnahme der Priorität Regel 59
    Recherchegebühr bei Uneinheitlichkeit Regel 64
    Rechtsverlustmitteilungsfrist Regel 112 (2)

    Am unangenehmsten dürfte es sein, dass zu den ausgeschlossenen Fristen die Jahresgebührennachfrist zählt, so dass hierzu weiterhin nur eine Wiedereinsetzung beantragt werden kann.

    Um eine Weiterbehandlung zu erreichen, ist es nicht erforderlich, einen schriftlichen Antrag zu stellen, sondern es reicht aus, die betreffende Gebühr einzuzahlen. Das Einzahlen dieser Gebühr gilt als Antrag, wobei dafür gesorgt werden muss, dass mit der Einzahlung deutlich wird, um welche Gebührenart es sich handelt.

    Weiterhin ist darauf zu achten, dass die versäumte Handlung nachgeholt wird.

  5. Wiedereinsetzung (Art. 122)

    Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist in den Fällen unzulässig, bei denen eine Weiterbehandlung beantragt werden kann. Es ist aber eine Wiedereinsetzung in die Weiterbehandlungsfrist möglich.

  6. Beschränkungsverfahren (Regeln 90-96)

    Das Beschränkungsverfahren wurde neu eingeführt. Ein erteiltes europäisches Patent kann auf Antrag des Patentinhabers beschränkt werden, wenn kein Einspruchsverfahren besteht bzw. das Einspruchsverfahren beendet ist. Das Beschränkungsverfahren bewirkt eine Beschränkung ex tunc und gilt gleichzeitig für alle benannten Staaten.

    Im Beschränkungsverfahren wird geprüft, ob es sich tatsächlich um eine Einschränkung und nicht um eine unzulässige Erweiterung handelt. Dagegen wird nicht die Patentfähigkeit geprüft.

  7. Widerrufsverfahren (Art. 105a, 105b)

    Neu eingeführt wurde auch das Widerrufsverfahren, mit dem der Patentinhaber den Widerruf seines erteilten Patentes beantragen kann. Voraussetzung ist, dass ein Einspruchsverfahren nicht anhängig ist. Der Widerruf gilt für alle benannten Staaten.

  8. Revision (Art. 112a)

    Im Beschwerdeverfahren wurde die Revision als weitere Instanz eingeführt. Die Revision muss innerhalb von zwei Monaten ab Zustellung der Beschwerdekammerentscheidung eingelegt werden. Revisionen werden von der großen Beschwerdekammer bearbeitet. Die große Beschwerdekammer kann die Entscheidung der Beschwerdekammer aufheben und das Verfahren vor der Beschwerdekammer wieder eröffnen lassen.

  9. Keine zusätzliche Recherche bei Uneinheitlichkeit (Regel 164)

    Bisher wurde zugelassen, dass bei einer uneinheitlichen europäischen Patentanmeldung eine weitere Recherchegebühr eingezahlt wird und der Anmelder konnte dann auswählen, welche der Erfindungen geprüft werden soll. 

    Nach neuem Recht wird nach Feststellung der Uneinheitlichkeit der Anmelder aufgefordert, sich auf eine der recherchierten Erfindungen zu beschränken. Dies führt dazu, dass der Anmelder auf die uneinheitlichen Teile verzichtet und damit gezwungen ist, diese Teile auszuscheiden und in getrennten Anmeldungen weiterzuführen, wenn er auch für diese Teile Schutz wünscht.

  10. Sprache (Art. 14 (2))

    Eine europäische Patentanmeldung kann in jeder Landessprache irgendeines Landes eingereicht werden. Es ist aber eine Übersetzung in eine Amtssprache des Europäischen Patentamts innerhalb einer Frist von 2 Monaten nach Einreichung der europäischen Patentanmeldung nachzureichen (Regel 6 (1) AusfO EPÜ).

  11. Teilanmeldung (Regel 36 (2))

    Eine Teilanmeldung kann nur noch in der Verfahrenssprache der Stammanmeldung eingereicht werden (Regel 36 (2) AusfO EPÜ).

  12. Prioritätserklärung (Art. 87, 88)

    Die Prioritätserklärung kann innerhalb von 16 Monaten ab Prioritätstag hinzugefügt oder berichtigt werden. Eine Berichtigung kann aber nur bis spätestens 4 Monate ab Anmeldetag der europäischen Patentanmeldung eingereicht werden.

  13. Übersetzung des Prioritätsbelegs (Regeln 53 (3), 56 (3) und 40)

    Der Prioritätsbeleg muss nicht mehr innerhalb der Frist gemäß Regel 51(4) übersetzt werden. Ist der Prioritätsbeleg für die Beurteilung der Patentierbarkeit relevant, wird der Anmelder vom Amt aufgefordert, eine Übersetzung einzureichen (Regel 53 (3)).

  14. Erfindernennung (Regel 60 (1))

    Die Erfindernennung ist innerhalb von 16 Monaten ab Prioritätstag, aber spätestens vor Abschluss der technischen Vorbereitungen für die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung (5 Wochen vor der Veröffentlichung) einzureichen.

  15. Benennungsgebühren/ Erstreckungsgebühren

    Werden die Benennungsgebühren nicht innerhalb der 6 Monate ab Veröffentlichung des Recherchenberichts entrichtet, so erhält der Anmelder eine Mitteilung gem. Regel 112 (1) (Mitteilung über einen Rechtsverlust). Es ist möglich, im Anmeldeantrag auf die Zustellung dieser Mitteilung zu verzichten.

    Zu beachten ist aber, dass die Nachfrist für die Zahlung der Erstreckungsgebühren weggefallen ist. Werden die Erstreckungsgebühren nicht entrichtet, wird auf diesen Rechtsverlust nur hingewiesen, wenn auch die Benennungsgebühren nicht oder nur teilweise entrichtet worden sind.
    Wird also auf eine Zustellung der Mitteilung über den Rechtsverlust verzichtet, wird automatisch auch darauf verzichtet, über die Nichtzahlung der Erstreckungsgebühren informiert zu werden.

    Auf die Mitteilung eines Rechtsverlustes kann mit der Weiterbehandlung reagiert werden.

  16. Prüfungsantragsfrist

    Wird die Prüfungsgebühr nicht rechtzeitig entrichtet, erhält der Anmelder eine Mitteilung über einen Rechtsverlust, auf den mit der Weiterbehandlung reagiert werden kann.

  17. Mitteilung gemäß Regel 51 (4)

    Die Regel 51 (4) wird ab dem 13.12.07 die Regel 71 (3).

  18. Übergangsbestimmungen

    Zur Revision des EPÜ gelten zahlreiche Übergangsbestimmungen. Die wichtigste hierfür dürfte sein, dass innerhalb eines Monats vor Inkrafttreten der EPÜ 2000 der Anmelder beantragen kann, dass eine eingereichte Anmeldung nach dem neuen Recht behandelt werden soll. In diesem Fall ruht die Anmeldung bis zum Tag des Inkrafttretens (wahrscheinlich der 13. Dezember 2007) und erhält dann den Anmeldetag vom 13. Dezember 2007. Diese Bestimmung wird man dann anwenden, wenn die vorteilhaften Änderungen der EPÜ 2000 bei einer neuen Anmeldung genutzt werden sollen. Hierbei ist aber darauf zu achten, dass eine Prioritätsfrist nicht vor dem 13.12.2007 endet.

Die Revision des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ 2000) enthält zahlreiche weitere, im wesentlichen formale Änderungen, auf die hier nicht eingegangen wird, da sie weniger gravierend sind. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es einer erheblichen Einarbeit in das geänderte Übereinkommen bedarf, um ab dem 13. Dezember 2007 das Übereinkommen richtig zu handhaben.

Links

- Lernprogramm zum EPÜ 2000 unter
http://www.epo.org/patents/updates/2007/20070123_de.html

- EPÜ2000-Präsentation des EPA auf VPP-Tagung unter
http://www.copat.de/download/KOLLE-EPU2000-VPP261007.ppt


- FAQs des EPO unter
http://www.epo.org/help/faq_de.html

- Text des EPÜ 2000 unter
http://www.epo.org/patents/law/legislative-initiatives/epc2000/new_de.html 

- Ausführungsordnung zum EPÜ 2000 unter
http://www.epo.org/patents/law/legislative-initiatives/epc2000/regulations_de.html

 

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