von Patentanwalt Dipl.-Ing. T. R. Wißgott
aktualisiert am 15.01.2008

Das Londoner Protokoll/ Londoner Übereinkommen  

 

Gegenstand des Übereinkommens

Am 17. Oktober 2000 wurde in London ein Übereinkommen über die Anwendung von Artikel 65 EPÜ getroffen, das eine kostengünstige Regelung für die Übersetzung Europäischer Patente betrifft. Es wird Londoner Übereinkommen oder Londoner Protokoll genannt und stellt das Ergebnis von Arbeiten dar, die auf der von Frankreich einberufenen Regierungskonferenz der Mitgliedstaaten der Europäischen Patentorganisation im Juni 1999 eingeleitet wurden und die die Kostensenkung im europäischen Patentwesen zum Gegenstand hatten.

Das Londoner Protokoll ist nunmehr am 1. Mai 2008 in Kraft getreten.

Für die Übersetzung Europäischer Patente ist den Mitgliedstaaten in Artikel 65 EPÜ die Möglichkeit gegeben, Regelungen zu treffen, die die Einreichung einer Übersetzung nach der Erteilung oder Änderung eines Europäischen Patents in eine der Amtssprachen des Mitgliedstaates vorsehen, sofern das Europäische Patent nicht bereits in einer dieser Amtssprachen vorliegt. Von dieser Regelung haben mindestens 28 Mitgliedstaaten Gebrauch gemacht (Belgien [BE], Bulgarien [BG], Deutschland [DE], Dänemark [DK], Estland [EE], Finnland [FI], Frankreich [FR], Griechenland [GR], Irland [IR], Island [IS], Italien [IT], Liechtenstein [LI], Litauen [LT], Niederlande [NL], Österreich [AT], Polen [PL], Portugal [PT], Rumänien [RO], Schweden [SE], Schweiz [CH], Slowenien [SI], Slowakei [SL], Spanien [ES], Tschechien [CZ], Türkei [TR], Ungarn [HU], Großbritannien [GB] und Zypern [CY])1.

Deutschland hatte in Art. 2 § 3 Abs. 1 IntPatÜG a.F. (Gesetz über Internationale Patentübereinkommen in der bis zum 30. April 2008 geltenden Fassung) geregelt, dass der Patentinhaber innerhalb von drei Monaten nach Veröffentlichung des Hinweises auf Erteilung des Europäischen Patentes und des Hinweises auf die Entscheidung über einen Einspruch betreffend die Aufrechterhaltung des Europäischen Patentes in geänderter Fassung beim Deutschen Patent- und Markenamt eine deutsche Übersetzung englisch- und französischsprachiger Patente einzureichen hatte. Kam er dieser Verpflichtung nicht nach, galt die Wirkung des Europäischen Patentes für Deutschland als von Anfang an nicht eingetreten (Art. 2 § 3 Abs. 2 IntPatÜG a.F.). 

Für die Anfertigung einer Übersetzung entstehen zusätzliche Kosten, die vermieden werden oder zumindest erheblich reduziert werden können. Art. 2 § 3 IntPatÜG ist nunmehr entfallen.  

 

Reduzierung der Übersetzungserfordernisse

Nach dem Londoner Protokoll verpflichten sich die Vertragsparteien, auf die Einreichung von Übersetzungen europäischer Patente in eine ihrer Amtssprachen ganz oder nur bezüglich der Beschreibung zu verzichten. Dies bedeutet, dass Patentinhaber in der Regel keine oder nur eine hinsichtlich der Patentansprüche übersetzte Patentschrift beim nationalen Patentamt einreichen müssen und dadurch erhebliche Kosten einsparen können. Dies ist insbesondere für KMUs (kleine und mittelständische Unternehmen) äußerst attraktiv, denen der Weg zum Europäischen Patent aufgrund des abschreckenden kostenintensiven Übersetzungserfordernisses erschwert ist

Konkret sieht das Londoner Protokoll in Art. 1 Abs. 1 vor, dass jeder Vertragsstaat des Übereinkommens, auf die in Artikel 65 Abs. 1 EPÜ vorgesehenen Übersetzungserfordernisse verzichtet, der eine Amtssprache mit einer der Amtssprachen des Europäischen Patentamts (EPA) gemeinsam hat. Die Amtssprachen des EPA sind Deutsch (de), Englisch (en) und Französisch (fr), so dass diese Regelung für 10 der Mitgliedstaaten Anwendung finden würde (Amtssprache(n) in Klammern):

Deutschland (de), Großbritannien (en), Frankreich (fr), Irland (en), Liechtenstein (de), Schweiz (de, fr, it), Österreich (de), Luxemburg (de, fr), Belgien (nl, fr, de) und Monaco (fr).

Dies bedeutet, dass eine in deutsch eingereichte europäisches Patentanmeldung für die Validierungsphase nach der Patenterteilung u.a. in Frankreich, Großbritannien und Irland nicht mehr in die jeweilige Landessprache übersetzt werden muss. Die vom EPA geforderte Übersetzung der Ansprüche in die Amtssprachen Englisch und Französisch vor der Validierung (Artikel 97(5) EPÜ iVm Regel 51(4)u.(5) AusfOEPÜ) bleibt jedoch bestehen. Die Übersetzungskosten für die Beschreibung entfallen mit dieser Regelung.

Zu beachten ist jedoch, dass auch Deutschland keine Übersetzungen für englisch- und französischsprachige europäische Patente mehr fordern kann und sich die Industrie für die Beurteilung dieser Patente hinsichtlich ihres Offenbarungsgehalts und Schutzbereichs mit diesen englischen und französischen Beschreibungen befassen muss, da die Ansprüche, die das Europäische Patentamt in allen drei Amtssprachen einzureichen fordert, für sich betrachtet häufig keine erschöpfenden Aussage über den geschützten Gegenstand, insbesondere über den Schutzbereich und die Interpretation des Anspruchsgegenstands liefern.

Für die übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Patentorganisation gilt nach Art. 1 Abs. 2 des Übereinkommens, dass diese eine Amtssprache des Europäischen Patentamtes, d.h. Deutsch, Französisch oder Englisch bestimmen können und auf die in Art. 65 Abs. 1 EPÜ vorgesehenen Übersetzungserfordernisse verzichten, wenn das europäische Patent in der von diesem Staat bestimmten Sprache erteilt oder in diese Sprache übersetzt und rechtzeitig eingereicht worden ist, wobei diese Staaten auch verlangen können, eine Übersetzung (nur) der Patentansprüche in eine ihrer Amtssprachen zu verlangen. Welche Staaten welche Sprache gewählt haben, kann der untenstehenden Tabelle entnommen werden.   

Darüber hinaus sieht Artikel 2 des Übereinkommens vor, dass im Falle von Streitigkeiten über ein Patent der Patentinhaber auf eigene Kosten eine vollständige Übersetzung des Patents den Beteiligten (Gericht, Verletzer) vorlegt.

 

Inkrafttreten des Londoner Übereinkommens

Für das Inkrafttreten des Übereinkommens genügt es, dass acht Staaten das Übereinkommen ratifizieren oder ihm beitreten, wobei diejenigen drei Staaten dabei sein müssen, für die 1999 die meisten Europäischen Patente wirksam geworden sind (Art. 6 des Übereinkommens), dies sind Deutschland, Frankreich und Großbritannien.

Am 28.04.2008 hatten 13 Staaten dem Übereinkommen durch Hinterlegung einer Beitritts- oder Ratifizierungsurkunde zugestimmt. Dies waren Dänemark, Deutschland, Island, Kroatien, Lettland, Liechtenstein, Luxemburg, Monaco, Niederlande, Schweden, Schweiz, Slowenien und Großbritannien. Zum Inkrafttreten fehlte es daher lange Zeit lediglich noch an der Ratifizierung oder dem Beitritt Frankreichs, das die letzten Jahre keinen politischen Willen an einer Änderung der gegenwärtigen Lage gezeigt hatte, so dass die Hoffnung auf ein baldiges Inkrafttreten des Übereinkommens gering war.

Nach der französischen Nationalversammlung hatte auch der französische Senat am 9. Oktober 2007 eine Gesetzesvorlage (Nr. 474) in letzter Lesung angenommen, die zur Ratifizierung des Londoner Übereinkommens ermächtigte. Frankreich hat die Ratifizierungsurkunde am 29.1.2008 hinterlegt. Das Londoner Übereinkommen trat damit am ersten Tag des vierten Monats nach Hinterlegung dieser letzten notwendigen Ratifikationsurkunde in Kraft, d.h. am 1. Mai 2008.

Mit dem Londoner Übereinkommen ist ein Durchbruch in der Sprachenfrage erzielt worden, wodurch das europäische Patent nunmehr bereits deutlich kostengünstiger ist und mit dem Beitritt weiterer Staaten noch günstiger werden wird.

 

Erfolg des Übereinkommens in Zahlen

Durch die Übersetzungsregelung können die Kosten für Übersetzungen um durchschnittlich 45%, d.h. etwa 3000 € pro Anmeldung gesenkt werden (Werte: EPA). Bei diesen Zahlen wird davon ausgegangen, dass ein Patent durchschnittlich 22 Seiten umfasst (16 Seiten Beschreibung, 4 Seiten Ansprüche, Zeichnungen), von denen 20 Seiten übersetzt werden müssen, und in den 7 häufigsten Ländern nationalisiert wird (DE, FR, IT, GB, NL, CH, ES). Vor Inkrafttreten des Protokolls mussten in diesem Falle der Nationalisierung in den 7 häufigsten Nationalisierungsstaaten 5 Übersetzungen angefertigt werden, die bei angenommenen durchschnittlichen Übersetzungskosten von 70 € pro Seite ca. 7000 € kosten (5 Übersetzungen * 20 Seiten * 70 € / Seite). Pro Übersetzung kann daher mit Aufwendungen in Höhe von 1400 € gerechnet werden. Durch die Regelung des Protokolls werden nur noch Kosten für zwei vollständige Übersetzungen (in die jeweils anderen Amtssprachen des EPA) sowie drei Übersetzungen der Ansprüche erforderlich, so dass Kosten in Höhe von ca. 3640 € vorliegen. Dies entspricht einer Einsparung von ca. 48%. War ein Europäisches Patent mit Wirkung für alle Mitgliedstaaten des EPÜ gewünscht, waren sogar Übersetzungen in 23 Sprachen erforderlich, was Kosten in Höhe von ca. 32.200 € erforderte. Nach dem Übereinkommen liegen nur noch Übersetzungskosten von 6440 € vor, d.h. sogar eine Einsparung von 80% kann erzielt werden.

 

Übersicht über den Stand des Protokolls (15.01.2009)

Die Spalten "Übersetzung Ansprüche" und "Übersetzung Beschreibung" zeigen an, in welche Sprache eine in Deutsch eingereichte Europäische Patentanmeldung nach der Erteilung übersetzt werden muss. Für Großbritannien und die Schweiz gilt das Abkommen schon für EP-Patente, deren Hinweis auf die Erteilung ab dem 01. Februar 2008 veröffentlicht worden ist.    

Staat

Ratifiziert/ gültig ab

Übersetzung Ansprüche

Übersetzung Beschreibung

Belgien

-

 

 

Bulgarien

 -

 

 

Dänemark

01.05.2008

Dänisch

Englisch oder Dänisch

Deutschland

01.05.2008

-

-

Estland

 -

 

 

Finnland

 -

 

 

Frankreich

01.05.2008

-

-

Griechenland

 -

 

 

Großbritannien

01.02.2008

-

-

Irland

 -

 

 

Island

01.05.2008

Isländisch

Englisch oder Isländisch

Italien

 -

 

 

Kroatien

01.05.2008

Kroatisch

Englisch

Lettland

01.05.2008

Lettisch

Englisch, Französisch oder Deutsch

Liechtenstein

01.02.2008

-

-

Litauen

 -

 

 

Luxemburg

01.05.2008

-

-

Malta

 -

 

 

Mazedonien

 -

 

 

Monaco

01.05.2008

-

-

Niederlande

01.05.2008

Niederländisch

Englisch oder Niederländisch

Norwegen

 -

 

 

Österreich

 -

 

 

Polen

 -

 

 

Portugal

 -

 

 

Rumänien

 -

 

 

Schweden

01.05.2008

Schwedisch

Englisch oder Schwedisch 

Schweiz

01.02.2008

-

-

Slowakei

-

 

 

Slowenien

01.05.2008

Slowenisch

Englisch, Französisch oder Deutsch*

Spanien

 -

 

 

Tschech. Rep.

 -

 

 

Türkei

 -

 

 

Ungarn

 -

 

 

Zypern

 -

 

 

 

Links

Das Londoner Übereinkommen, Amtsblatt EPA 12/2001 S. 549

Aktueller Status des Übereinkommens

Meldung über die Annahme des Gesetzesentwurfs im französischen Senat

Wesentliche Punkte, die es zu beachten gilt

 

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